Christoph Uhl – Lerncoach Teil 1

Um mehr Fakten zum Thema Motivation zu bekommen, haben wir beschlossen Experten in diesem Gebiet zu interviewen.
Unser erster Experte ist Christoph Uhl, ist Diplompädagoge und Lerncoach. Er berät und trainiert seit 18 Jahren zum Beispiel Manager und Selbstständige. http://www.coachingberlin.com/

Zunächst wollten wir ein paar grundlegende Dinge zum Thema aus seiner Sichtweise erfahren.

1. Was bedeutet das Wort „Motivation“ für Sie?
„Bei allem, was wir Menschen tun, gibt es eine Motivation, die uns bewegt und antreibt.
Jeder psychisch gesunde Mensch tut nichts, ohne dazu motiviert zu sein. Selbst hinter Handlungen, die einen Menschen langweilen oder gar belasten, steckt eine Motivation.
Ein Student der Psychologie zum Beispiel büffelt für das Fach Statistik, obwohl ihn das massiv langweilt, weil es ohne den Statistik-Schein keinen Studienabschluss geben würde.


Im Laufe der Jahre hat sich in verschiedenen Bereichen des Lebens, vor allem in der Arbeitswelt, der Bildung und der Erziehung ein Irrtum festgesetzt.
Viele Menschen gehen nämlich davon aus, man könne einen anderen Menschen oder sich selbst motivieren.
Genau genommen stimmt das nicht. Menschen lassen sich nicht motivieren, sie sind es schon, nur häufig nicht in die Richtung, in die andere Menschen es gerne hätten. Jeder Mensch verfügt über eine natürliche und vor allem individuelle Ressource an Motivation. Es ist ein Grundbedürfnis des Menschen, die Welt zu entdecken, zu erforschen, für sich zu gestalten und sich in ihr zu entwickeln. Dazu muss niemand motiviert werden, das ist alles schon da.
Für jeden Menschen ist es daher optimal, gemäß seiner Veranlagungen und Neigungen agieren zu können, ohne darin eingeengt zu werden. Wenn wir also davon sprechen, einen Menschen zu motivieren, dann heißt das immer „nur“, seine Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass er entsprechend seiner vorhandenen Motivation handeln und sich entwickeln kann.
Kommt es jedoch zur Einengung, ist die Folge Demotivation.
Während es also ein Irrtum ist, andere Menschen motivieren zu können, ist Demotivation tatsächlich möglich. Wenn wir uns also fragen, wie wir uns selbst oder andere Menschen motivieren können – oder präziser: uns in unserer natürlichen Motivation nicht einengen – müssen wir vor allem drei Aspekte klären: Wozu ist das jeweilige Individuum motiviert? Wie muss seine Umgebung gestaltet sein, um seine Motivationsrichtung optimal zur Entfaltung bringen zu können? Was müssen wir tun, um Demotivation zu vermeiden?
Leider sind in der Breite die Bildungssysteme, die Berufswelt und andere gesellschaftliche Bereiche noch viel zu wenig auf diese Sichtweise eingestellt. Sie hängen noch zu sehr an einem manipulativen Menschenbild, nach dem es mit speziellen Kniffen gelingen könne, einen Menschen aus sich heraus zu einer spezifischen Handlung zu bewegen – mitunter sogar gegen seinen Willen.“

2. Was ist die größte Gefahr des Scheiterns bei der Selbstmotivation?
„Um es etwas vereinfacht auszudrücken: Dass wir uns für das „Falsche“ zu motivieren versuchen, uns damit aber letztendlich demotivieren.
Denn wenn wir uns für etwas zu motivieren versuchen, das uns nicht begeistert, dann sind wir zum Scheitern verurteilt. Nur für das, was uns begeistert, was uns emotional berührt, sind wir offen, dafür setzen wir uns ein, engagieren uns, investieren Kraft, Gedanken, Zeit und nicht selten viel Geld.
Nun ist das Leben kein Paradies. Der Alltag, das Zusammenleben mit anderen Menschen und auch eigene Überlegungen bringen es mit sich, Dinge tun zu wollen oder tun zu müssen, ohne dafür sonderlich begeistert zu sein.
Zum Beispiel Joggen, weil der Kopf sagt: „Das ist vernünftig, Bewegung und sportliche Anstrengung sind gesund.“
Doch wenn ein Individuum kein begeisterter Sportler ist, dann reicht die reine Vernunft nicht aus, um aus ihm einen Jogger zu machen, der drei Mal in der Woche eine Stunde durch den Wald läuft. Vielmehr wird er zwar von heute auf morgen loslegen und durch den Wald hechten können, wenn auch nicht gleich eine ganze Stunde. Doch wir alle wissen, was dann sehr schnell kommt: Frust wegen emotionaler und körperlicher Überforderung.
Emotionale Überforderung, weil er für das Joggen nicht begeistert ist, also gegen seine inneren Impulse den Körper malträtiert. Körperliche Überforderung, weil sein Organismus diese Belastung gar nicht gewöhnt ist.
Beides schaukelt sich gegenseitig auf, bis bald der Abbruch des Versuchs kommt, regelmäßig zu joggen. Wenn der Jogger jedoch gut auf seine inneren Stimmen hört, insbesondere auch auf die innere Stimme, die ihm bislang vom Joggen abgehalten halt, dann sieht die Sache schon ganz anders aus. Wenn die Vernunftsstimme UND die Bequemlichkeitsstimme gleichermaßen Beachtung finden, dann ist der Jogger einen wesentlichen Schritt weiter, sich nicht zu demotivieren. Dann hat sein Vorhaben Aussicht auf Erfolg.
Konkret könnte es zum Beispiel bedeuten, sehr behutsam mit dem Joggen anzufangen, mit nur drei bis fünf Minuten langsames Laufen, und das peu a peu zu steigern. Dann ist schon der erste Lauf mit einem positiven Erlebnis verbunden, was für die Verankerung im Gehirn extrem wichtig ist.“

3. Wie motivieren Sie sich selbst?
„Indem ich mich immer wieder frage: Wozu bin ich motiviert? Und was braucht es, um die Situationen zu versüßen, denen ich mich zwar widmen muss, für die ich aber nicht unmittelbar motiviert bin?
Ein Beispiel: Ich als Selbständiger (zur Selbständigkeit bin ich im hohen Maße motiviert) habe jedes Jahr eine relativ aufwendige Steuererklärung zu erstellen (wozu ich reichlich wenig motiviert bin).
Ein Steuerberater unterstützt mich zwar, doch auch er braucht gut aufbereitete Zuarbeit. Lange Zeit habe ich das immer auf das Jahresende gelegt. Der Nachteil war, dass sich zum Jahresende stets so viele andere Dinge aufstauen, die es auch zu erledigen gilt, dass es regelmäßig zum Jahresendstress kam.
Je näher die nächste Steuererklärung rückte, umso demotivierter war ich. Also habe ich mich gefragt, was ich tun kann, um diese Situation zu entschärfen. Seitdem kümmere ich mich bereits im Spätsommer, wenn weniger los ist, um die Zusammenstellung und Aufbereitung aller Materialien, die mir dann schon vorliegen.
Im Ergebnis sind die Erledigungen im Spätsommer weniger demotivierend, weil in der Zeit kaum andere Dinge anfallen, es also keine Anhäufung unangenehmer Arbeiten gibt. Das Gleiche gilt für das Jahresende.“

4. Warum spielen Emotionen so eine große Rolle bei der Motivation?
„Wir haben vorhin gesehen, dass der Mensch von Natur aus motiviert ist. Er will sich grundsätzlich in Richtung seiner Motivation verhalten.
Steht er vor der Wahl, unter mehreren Handlungsoptionen entscheiden zu müssen, sorgen seine Emotionen dafür, die richtige Wahl zu treffen.
Das können wir uns wie eine Ampel vorstellen. Entspricht eine Handlungsoption zumindest tendenziell dem, wozu ein Individuum motiviert ist, signalisieren ihm angenehme, leichte, begeisternde, manchmal sogar euphorische Gefühle ein „Geh los!“.
In allen anderen Fällen signalisieren, abwehrende, unangenehme, wütende, langweilende oder andere negative Gefühle „Stop!“.
Bevor das Ampelsystem rot oder grün zeigt, analysiert es die zur Wahl stehenden Handlungsoptionen. Dabei greift es auf instinkthafte Informationen und insbesondere auf alle im Laufe des Lebens gesammelten Erfahrungen zurück. Dieser Prozess spielt sich im Unbewussten binnen 200 bis 300 Millisekunden ab. Das bewusste Denken hinkt da ordentlich hinterher.
Ehe wir auf einer bewussten Ebene anfangen, über die Handlungsoptionen nachzudenken, zeigt die Ampel schon längst rot oder grün. Dabei kann es sich auch um sehr feine Emotionen handeln, die wir nicht richtig in Worte fassen und „irgendwie“ auch nicht greifen können.
Nun wissen wir alle, dass es nicht immer so einfach ist. Häufig sitzen wir zwischen den Stühlen. Wie beim vorhin erwähnten Studenten, der für Statistik paukt, obwohl ihn das Fach total langweilt (rot – „Stop!“). Andererseits will er Psychologe werden (grün – „Geh los!“). Ein sorgsames in-sich-hinein-Hören kann hier helfen, die „Machtverhältnisse“ zwischen Rot und Grün auszuloten.“

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